Wunsch & Wirklichkeit

Wunsch und Wirklichkeit klaffen nach meiner Erfahrung vor allem in einem Bereich unserer Leidenschaft auseinander und das sind unsere Fangerwartungen. In den sozialen Medien und in allen möglichen Publikationen, werden wir mit kapitalen Fängen und märchenhaften Erfolgen konfrontiert. Auch ich habe für meine Artikel noch nie versucht, einen möglichst kleinen Fisch in die Kamera zu halten, sondern immer die guten. Ich finde an sich nichts Verwerfliches daran, denn wir sind alle vom Jagdtrieb beseelt und dürfen uns daher auch gerade über die herausragenden Fänge freuen und sie feiern.

Allein – diese Freude hat für mich eine klare Grenze, die immer mehr zu verschwimmen scheint. Vielleicht bin ich als Österreicher besonders sensibel geworden, weil diese Auswüchse, die ich hier kritisieren will, bei uns daheim besonders dramatisch sind:

Es werden Gewässer, die teils seit vielen Jahren nicht mehr oder teils niemals Trophäenreviere gewesen sind, als solche dargestellt. Es werden Zustände künstlich aufrechterhalten oder erzeugt, die mit einem natürlichen Fischbestand so wenig zu tun haben, wie das Tretauto meines Neffen mit einem echten Ferrari – auch wenn das Emblem bei beiden ein schwarzes Pferd aufweist.

Klar erkenntlicher Besatzfisch

Es geht mir hier um unsere heimischen Gewässer und nicht Destinationen, die nur nach mehrstündigen Interkontinentalflügen erreicht werden können. Es gibt wohl auch in unseren Breiten die eine oder andere Perle, aber die braucht in der Regel keine Werbung und wird nicht touristisch genutzt. Es geht um unsere heimatlichen Vereinsreviere und viele touristisch genutzte Gewässer.

Warum machen das die Bewirtschafter? Weil eben Wunsch und Wirklichkeit bei uns Fliegenfischern – und da schließe ich mich auch ein – auseinanderklaffen! Viele Bewirtschafter, vor allem Vereine, haben auch wirtschaftlichen Zwängen zu folgen, weil sie jedes Jahr einen oft erheblichen Pachtzins erwirtschaften müssen, wodurch sich ein Teufelskreis aus Angebot und durch verzerrte Wirklichkeiten hoch gehaltener Nachfrage ergibt.

Wenn wir uns ehrlich mit diesem Thema auseinandersetzen, dann müssen wir uns eingestehen:

Unsere heimischen Gewässer sind auf natürliche Weise nicht in der Lage ständig Trophäenfische in einer Anzahl zu produzieren, die es jedem Gastfischer ermöglichen würde, bei einem erstmaligen Aufenthalt am jeweiligen Wasser Fische in eben dieser Klasse zu fangen. Ich habe immer wieder lernen müssen, dass ich die wirklich guten Fische an meinen Heimatgewässern gefangen habe, die ich sehr gut kenne. Wird anderes behauptet, ist das meiner Erfahrung nach meistens eine deftige Übertreibung oder wird durch Besatzmaßnahmen mit Fischen in Trophäengröße erreicht.

Schade, dass man so etwas in „wilden Wassern“ fangen kann…

Hand aufs Herz: Wie viele gute Fische fangen Sie pro Saison an Ihrem Heimatrevier, das Sie bereits ein wenig kennen? Ich fange einen bis maximal zwei herausragende Fische (sagen wir mal 50+) pro Saison, wobei ich regelmäßig an Flüssen fische, die doch große Namen haben: Traun, Salza, Steyr oder Mur. Dann lese ich aber Werbeeinschaltungen, die Fänge von Riesenforellen an österreichischen Gebirgsbächen garantieren oder die Gewässer bewerben, an denen der Gastfischer realistisch eine 60cm Seeforelle fangen wird, obwohl 1968 zwischen See und Fischereirevier ein Kraftwerk errichtet worden war. Ebenso fängt man mancherorts jetzt Huchen, obwohl das natürliche Verbreitungsgebiet dort sicher nie lag …

Schwanzflosse eines Besatzhuchens

Steigende Wassertemperaturen, Ausbreitung vieler Prädatoren und Verlust des Lebensraums oder Laichhabitats haben unseren Gewässern und Fischbeständen massiv zugesetzt. Die Fangberichte oder die Werbung lassen oft andere Eindrücke entstehen. Ich habe erst sehr selten Berichte über ein Fischereirevier gelesen, in denen das Fehlen kleiner Fische bemängelt wurde. Da liegt aber oft das eigentliche Problem. Mit Besatzmaßnahmen von fangfähigen Fischen wird wenig nachhaltig der oben schon skizzierte Zustand aufrechterhalten oder künstlich erzeugt. Man fängt gut, die Fische schauen auch fit aus, haben alle +/- 45cm … und wir fragen uns nicht, was da los ist! Das ist an keinem Wasser normal! Man sollte gemäß Alterspyramide eines natürlichen Fischbestands eigentlich meistens Fische der häufigsten Größen fangen. Das werden wohl eher solche zwischen 20 und 35 cm sein. Ich habe aber schon Gewässer befischt, an denen ich diese Kohorten völlig vermisst habe!

Traumhafte Regenbogenforelle in Gardemaß – nur gehört die in einen kleinen Bergbach?

Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind und die Verantwortung, die uns anvertrauten Gewässer zu schützen, ernst nehmen, dann sollten wir uns diese recht banalen Überlegungen doch zu Herzen nehmen, bevor wir die Lizenzen für eine kommende Saison lösen oder Urlaube planen. Durch unsere Entscheidungen, wo wir fischen wollen, können wir diese Verantwortung recht einfach und auch wirkungsvoll wahrnehmen, indem wir Bewirtschafter unterstützen, die eine ehrliche Bewirtschaftung versuchen, die möglichst dem Prinzip der Nachhaltigkeit und der ökologischen Vernunft folgen. Ich würde mich sehr freuen, wenn solche Entscheidungen mehr Fliegenfischer bewusster treffen würden, weil dann auch ein Umdenken der Bewirtschafter einsetzen sollte.