Vor dem Karawankentunnel…

Bevor ich in das Thema einsteige, möchte ich mich ein bisschen vorstellen, damit Sie einen Eindruck bekommen, aus welchem Blickwinkel ich die folgenden Zeilen schreibe. Im echten Leben bin ich Rechtsanwalt und in meiner Freizeit Fliegenfischer mit Leib und Seele. Daher betreibe ich auch meinen Blog, den ich www.Soulfishing.eu genannt habe. Ich engagiere mich sowohl für meinen Fischereiverein als auch im Landesfischereiverband für die Anliegen der Fischerei, insbesondere der Fliegenfischer. Ich habe auch versucht, mich mit der Ökologie unserer Fischgewässer und Bewirtschaftungsfragen auseinander zu setzen, soweit es meine Zeit zulässt. Ich bin in diesen Bereichen kein Experte, aber ein interessierter Amateur. Ich konnte auch mittlerweile einige Freunde gewinnen, die beruflich als Fischereiökologen tätig sind, mit denen ich in regem Austausch stehe.

Der Chefredakteur Eurer Zeitschrift „De Vlaamse Vliegvisser“, Patrick, hat mich gebeten, für Euer Österreich-Special ein paar Zeilen beizutragen, weil ich in meinem Blog einige Standpunkte vertreten habe, die man in der Öffentlichkeit und in Fliegenfischerpublikationen eher selten hören oder lesen wird. Kritische Standpunkte, wie es um die Gewässer in meiner engeren Heimat Oberösterreich und Österreich im Generellen bestellt ist, werden eher selten publiziert, weil das alles andere als gute Werbung ist und viele Bewirtschafter natürlich auf Gäste angewiesen sind, die ihnen helfen, einen oft nicht ganz unerheblichen Pachtzins zu erwirtschaften. Auch der Auflage einer solchen Zeitschrift helfen solche Artikel nur sehr bedingt. Daher habe ich mich sehr über die Anfrage gefreut, ein paar Zeilen zu diesem Thema beizutragen. Patrick hat dann aber völlig zu Recht gefragt, ob es denn überhaupt noch Sinn macht, vor dem Karawankentunnel nach rechts oder links abzubiegen… Dies ist der Versuch einer Antwort darauf.

Wir haben in Österreich ein Problem mit unseren Fischbeständen, das vielleicht auf den ersten Blick nicht zur Gänze nachvollziehbar ist, wenn man nicht ein bisschen hinter die Kulissen schauen kann. So unsinnig es klingt, aber es ist nicht immer gut, wenn es Gewässer gibt, deren große Namen über die eigenen Grenzen hinaus früher zu Recht einen hervorragenden Ruf genossen haben. Ich nenne da nur die Gmundner Traun als plakativstes Beispiel, an der einige Kapitel des „Erlebten Fliegenfischens“ von Charles Ritz spielen und die über Jahrzehnte hinweg Treffpunkt der Fliegenfischerszene Europas war. Es ist nämlich nicht bei den paradiesischen Zuständen geblieben, die die Gäste von Charles Ritz an diesem Gewässer vor und nach dem Krieg vorgefunden haben. Damit umzugehen ist nicht leicht.

Auch an den österreichischen Gewässern ist die Zeit nicht stehen geblieben und der Ausbau der Wasserkraft hat seine Spuren hinterlassen. Die Ansprüche an diese Gewässer, die Pacht- und Lizenzpreise sind aber nie gefallen, sondern kontinuierlich teurer geworden. Jeder, der an der Gmundner Traun gewesen ist und € 80,00 für eine Tageslizenz ausgegeben hat, möchte sich mit einem Fisch in der Kategorie 50 bis 60cm ablichten lassen oder gar eine Seeforelle in diesen Dimensionen in die Kamera halten.

Gerade Fliegenfischer Publikationen, das Web und Werbung für Gerät oder Gewässer halten einen Eindruck oder Erwartungen aufrecht, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben. Aber leider versuchen viele Bewirtschafter aus wirtschaftlichem Druck, diese Erwartungshaltungen weiterhin zu erfüllen. Leider oft mit Attraktivitäts- oder gar Trophäenbesatz.

Die österreichischen Gewässer, sind zum Glück oft traumhafte Reviere und reichen vom großen Strom der Donau über große Flüsse der Barben-, Äschen- und unteren Forellenregion (Mur, Traun, Salzach, …) bis zu glasklaren Gebirgsbächen der oberen Forellenregion. Vom Neusiedlersee als Steppensee über die Seen des Alpenvorlands bis zum blauen Alpensee im Hochgebirge mit Schwarzreutern, einer kleinwüchsigen Form des Seesaiblings.

Leider haben alle Gewässer bis auf wenige Ausnahmen in unserer klein strukturierten Kulturlandschaft darunter gelitten, dass die Nutzung der Gewässer intensiviert wurde. In meinem Heimatbundesland Oberösterreich ist je nach Studie ein Ausbaugrad der Wasserkraftpotentiale von 80-90% gegeben. Stauhaltungen oder thermische Einleitungen führen neben dem Lebensraumverlust zu einem Anstieg der Wassertemperaturen, der von der Klimaerwärmung verstärkt wird. Neue Kraftwerksprojekte sind leider geplant oder bereits umgesetzt und die frei fließenden Strecken unserer Flüsse werden weiter dezimiert. Manche einst stolze Flüsse wie die Enns sind heute eine Aneinanderreihung von Staustufen und als Lebensraum für rheophile Fischarten – vorsichtig formuliert – nur mehr bedingt geeignet. Zumindest die Fortpflanzung von Kieslaichern ist dort nur mehr sehr eingeschränkt in kleinen Zubringern möglich. Das sind die wichtigsten limitierenden Faktoren für unsere Fischbestände, die sich aus der anthropogen beeinflussten Morphologie unserer Gewässer ergeben.

Darüber hinaus sind auch in Österreich wie in vielen anderen Ländern Europas Prädatoren auf dem Vormarsch, die in unserer Kulturlandschaft keine Feinde mehr haben und sich daher hervorragend, fast ungebremst entwickeln. Vor allem was die Salmonidenreviere betrifft, muss man leider feststellen, dass der Kormoran die einst hervorragenden Bestände Mitte der 90er Jahre erstmals massiv beeinträchtigt hat. Wissenschaftliche Untersuchungen sprechen von einem Rückgang der Äschenpopulationen in manchen Flüssen von 90% – binnen eines Winters. Seit nunmehr einigen Jahren ist der Fischotter wieder flächendeckend an unsere Gewässer zurückgekehrt und seit dem letzten halben Jahrzehnt vermehrt sich auch der Gänsesäger massiv. Wir haben also für jedes Größenspektrum unserer Fische einen spezialisierten Prädator fast ohne natürliche Feinde. Bis auf eine relativ geringe Anzahl von Kormoranen ist keines dieser Tiere zum Abschuss frei gegeben, sondern sie genießen ganzjährigen Schutz. Die Dezimierung der Bestände hat in manchen Flüssen ein Ausmaß erreicht, das an der Selbsterhaltungsfähigkeit der Restbestände massiv zweifeln lässt. Mein Fischereiverein hat eine Studie in Auftrag gegeben, die ergeben hat, dass der von einem Ornithologen bestätigte Bestand des Gänsesägers an unserem Revier an der Steyr mehr Fisch pro Jahr vertilgt, als theoretisch überhaupt durch natürliche Reproduktion nachwachsen könnte.

Letztlich stellt sich die Frage, wie man den bedrohten Beständen am nachhaltigsten helfen könnte.

Da die Energieversorgung ein gesamtgesellschaftliches Interesse darstellt und damit die weitere Nutzung der bestehenden Wasserkraftanlagen wohl nicht aufgehalten werden kann, kann in diesem Punkt – vor allem hinsichtlich bestehender Beeinträchtigungen – keine Verbesserung erwartet werden. Es bleibt uns als Fischern nur nachhaltig darauf hinzuweisen, dass auch eine naturnahe und unverbaute Gewässerstrecke einen unwiederbringlichen Wert darstellt, der mittlerweile ein knappes Gut geworden ist (wie bereits gesagt, liegt der Ausbaugrad der Oö. Flüsse bei 80-90%). Die letzten unbeeinflussten Fluß- und Fließstrecken auf dem Altar der ohnehin nicht zu erreichenden Strom-Autarkie zu opfern, muss ehrlich und genau hinterfragt werden und in der öffentlichen Diskussion stärker eingebracht werden.

Auch die Wassertemperatur der Gewässer und die Arbeitsweise der E-Industrie kann nur sehr eingeschränkt beeinflusst werden, da technische Gegebenheiten hier die maßgebenden Parameter sind. Auch wenn die Wasserrahmenrichtlinie in diesem Bereich Verbesserungen bringen wird, werden die Beeinträchtigungen nur zu einem mehr oder minder geringen Teil auszugleichen sein.

Wir, die Fischerei, Funktionäre und Bewirtschafter, aber auch der einzelne Angler, sollten mehr Bedacht darauf nehmen, durch die Auswahl unserer Reviere ein Umdenken zu fördern. Wir sollten versuchen, vor allem Gewässer, die nicht durch kurzfristig fangsteigernde Besatzmaßnahmen ihren Ruf aufrecht erhalten wollen, durch unseren Besuch zu fördern. Es muss in diesem Zusammenhang leider auch eingeräumt werden, dass die Gewässerbewirtschafter in der Vergangenheit bedauerliche Fehler gemacht haben und dass diesbezüglich noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten bleibt. Es handelte sich aber vielerorts um verzweifelte Versuche, dem Niedergang der einstmals hervorragenden Fischbestände entgegenzuwirken und wirtschaftlichen Zwängen gehorchend genug Lizenznehmer zu finden, um die Pacht zu erwirtschaften. Ich halte es dennoch für unsere Pflicht in Gesprächen mit den Verantwortlichen einzumahnen, dass man lieber einen kleinen Wildfisch fängt und wieder zurück setzt, als Regenbogenforellen in Einheitsgröße von 45cm zu fangen, die zuvor augenscheinlich keine ganze Woche im Fließwasser verbracht haben.

Letztlich bleibt aber meines Erachtens zur Ergänzung derartiger Versuche, die Verantwortlichen von einer ökologischen Bewirtschaftung der Gewässer zu überzeugen, auch eine Verpflichtung, die natürliche Reproduktion wieder in einem ausreichenden Ausmaß zu ermöglichen. Es sei daher auf jenen Punkt hingewiesen, an dem am einfachsten eine nachhaltige Verbesserung der Situation der österreichischen Fischbestände bewirkt werden könnte. Es sollte ein modernes und nachhaltiges Wildtiermanagement eingeführt werden, das nicht eine einseitige Betrachtungsweise der geschilderten Situation zur Grundlage hat. Es müsste eigentlich Anliegen aller, die für die Erhaltung unserer natürlichen Ressourcen und Lebensräume eintreten, sein, die Biodiversität unserer Lebensräume – wenn nötig auch durch jagdliche Maßnahmen – zu erhalten. Derzeit bedrohen eben mehrere fischfressende Tierarten alle Arten und Altersstadien der heimischen Fische. Gänsesäger greifen in die Jugendklassen ein, der Kormoran bevorzugt hauptsächlich Fische in Größen ab 30cm und der Fischotter frisst auch die größeren Laichfische. Bei Befischungen an der Traun wurde festgestellt, dass bis zu 25% der Fische Verletzungen aufweisen, die vom Kormoran herrühren. Natürliche Feinde, die wieder ein Gleichgewicht herstellen könnten, haben diese Prädatoren kaum bis gar nicht. Letztlich ist einzig limitierender Faktor der Bestände der Lebensraum und damit das Nahrungsangebot, also letztlich die vorhandene Fischbiomasse.

Dennoch gibt es Lichtblicke, denn es werden erste Versuche unternommen, einen Managementplan für den Fischotter zu entwickeln beziehungsweise an Referenzstrecken zu testen und auch zarte Anzeichen, dass eine Regulierung des Gänsesägerbestands möglich werden könnte, sind bei den zuständigen Behörden zu erkennen. Aber alle diese Maßnahmen sind quälend langsam umzusetzen, da falsch verstandener Naturschutz unzählige Studien und Gutachten fordert, die die Gefährdung von Fischbeständen nachweisen müssen. Das gelingt aber meistens erst dann, wenn es ohnehin schon fast zu spät ist. Gefährdung wird hier nicht als potentieller Schaden in der Zukunft gesehen, sondern als bereits manifestierter Ausfall beim Fischbestand.

Auch wir Fischer haben aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gelernt und wir antworten nicht mehr auf jede negative Entwicklung mit Besatzmaßnahmen, sondern es werden diffizilere, aber nachhaltigerer Wege gegangen, wie Eibesatz im Wege von cocooning oder artificial nests. Bei Maßnahmen flüssebaulicher Natur wird als Entschädigung auch nicht mehr immer nach Schadenersatzzahlungen oder Kompensationsbesatz gerufen, sondern es werden Renaturierungs- und Ausgleichsmaßnahmen eingefordert. An einige unserer Gewässer ist der Huchen wieder zurückgekehrt, weil Initialbesatzmaßnahmen gefruchtet haben. Obwohl vieles nicht gerade optimal läuft, kann man dennoch ein großes Engagement von Fischerinnen und Fischern sehen, das auch Erfolge bringt.

Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass ich Ihnen auch ohne übersteigerten Patriotismus guten Gewissens empfehlen kann und möchte, nach Österreich zu kommen, um Ihrer schönsten Leidenschaft nachzugehen. Sie werden in jedem unserer Bundesländer Möglichkeiten finden, um eine spannende und auch erfolgreiche Fischerei zu erleben. Unsere Gewässerstrecken, die eine Fliegenfischerei wie im Bilderbuch bieten, sind zwar nicht mehr so zahlreich wie vor einigen Jahrzehnten, aber Sie werden immer noch Flüsse finden, die Sie verzaubern! Sie müssen sich vielleicht manchmal damit abfinden, dass nicht mehr der Fischbestand vorhanden ist, der noch in Zeiten eines Charles Ritz zahlreiche Fliegenfischer an die Gmundner Traun lockte, aber die Gewässerbewirtschafter bemühen sich nahezu geschlossen darum, Ihnen eine gute Fischerei zu bieten. Auch wenn ich erneut zugebe, dass es doch einige Gewässer gibt, die einfach in großen Teilen von Besatzmaßnahmen leben, weil eine natürliche Reproduktion nicht mehr in ausreichendem Ausmaß stattfinden kann oder von den Prädatoren zunichte gemacht wird, ist auch an solchen Revieren zumeist für eine spannende Fischerei gesorgt. Man soll sich aber dessen bewusst sein, dass man hier nicht auf Wildfische fischt, sondern eine den Umständen geschuldete Put-and-Take (oder Put&Release) Fischerei betreibt.

Wenn damit aber in einer abartigen Form Werbung gemacht wird, dann sollten Sie vorsichtig sein! Dabei endet dann auch mein Verständnis für die Nöte der Bewirtschafter! Ein Neuseeland Österreichs gibt es nicht, obwohl gerade mit solchen Slogans manches Gewässer angepriesen wird. Zu behaupten, dass in einem wenige Meter breiten, glasklaren und daher nahrungsarmen Bergbach regelmäßig Fische jenseits der 60cm von Gästen gefangen werden können, ist – euphemistisch ausgedrückt – unseriöse Werbung. Diese Zustände beruhen auf Besatz mit Fischen in dieser Größe und das lehne ich zutiefst ab. Dies trifft nach meiner Erfahrung aber auch auf die wunderschönen Gewässer südlich der Karawanken (Slowenien) und des Brenners (Südtirol) in hohem Ausmaß zu. Wenn Sie aber nach einem seriösen Bewirtschafter suchen, der nicht mit unrealistischen Fängen wirbt, werden Sie auch diese Möglichkeiten finden. Er wird Ihnen an seinem Gewässer eine wunderbare Fischerei, in wunderbarer Landschaft und mit viel Gastfreundschaft bieten, die aber eine realistische Erwartungshaltung fordert. Sie werden dann sicher einen wunderschönen Fliegenfischerurlaub in meiner Heimat Österreich verbringen, der Ihnen mit dem nötigen Glück auch einen außergewöhnlichen Fang bescheren kann.

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