Naturschutz?

Ausgangslage

Es ist schon beachtlich, was sich immer wieder unter dem Begriff „Naturschutz“ so alles tut. Ich möchte diese Vereine keineswegs schlecht machen, sondern stehe nicht an, klar deren Verdienste um Anliegen des Naturschutzes zu loben. Diese Vereine haben in unserer Gesellschaft maßgeblich mitgeholfen, ein Bewusstsein für den Naturschutz zu schaffen und eben diesen als gesamtgesellschaftliches Anliegen zu etablieren. Das ist eine großartige Leistung, von der wir alle profitieren und die ich ausdrücklich anerkenne.

Aber ich frage mich doch immer wieder, ob sich diese Vereinigungen nicht ein bisschen „verrannt“ haben. Ich bin der Meinung, dass auch der Natur- oder Artenschutz kein verabsolutierbares Ziel sein kann, das mit allen Mitteln versucht, einen Zustand herbeizuführen oder zu erhalten, der nicht mehr als ausgewogen bezeichnet werden kann. Insbesondere in einer Kulturlandschaft wie jener Österreichs, in der das Gleichgewicht zwischen den Arten nicht mehr durch natürliche Mechanismen reguliert wird, ist doch ein differenzierter Zugang sinnvoll. Jeden Versuch, diesen (notwendigen) Ausgleich herbeizuführen, als Rückfall in (längst vergangene) Zeiten der „Ausrottung von Schädlingen“ zu denunzieren, hat mit Naturschutz in einem positiven Sinne, nur relativ wenig zu tun. Das Wort „denunzieren“ verwende ich in diesem Zusammenhang bewusst, weil im Anlassfall, der mich zu diesen Zeilen motiviert hat, versucht wurde, den Antrag der Fischerei, ein Projekt, ein nachhaltiges Wildtiermanagement in Bezug auf den Gänsesäger zu erproben, zu diskreditieren, indem behauptet wurde, die Fischerei würde die Bejagung eines fischfressenden Vogels in der Brutzeit beantragen und habe das Ziel, den Vogel quasi auszurotten.

Der Naturschutz dieser Prägung ist oftmals für einen nützenden Naturschützer, der genauso am Erhalt einer funktionierenden Artengemeinschaft interessiert ist, schwer nachzuvollziehen. Diese Einstellung des „ganz oder gar-nicht“ ist meines Erachtens auch einfach der falsche Zugang zur Lösung derartiger Probleme, die vielerorts eben erst durch diesen Zugang geschaffen wurden. Ich halte es auch in einer Gesellschaft wie der unseren für ein berechtigtes privates und allgemein soziales Interesse, die nachhaltige Nutzung von Wildtierbeständen weiterhin zu ermöglichen und nicht auf dem Altar des völligen Artenschutzes zu opfern.

Nun zum konkreten Anlassfall:

Der Naturschutzbund und BirdLife haben am 15. Jänner 2020 in einer Presseaussendung zum Antrag des Oberösterreichischen Landes-Fischereivereins, in einem wissenschaftlichen Projekt die Auswirkungen der Prädation des Gänsesägers auf die Bestände der Äsche und der Bachforelle in der unteren Steyr zu erforschen, Stellung genommen. Diese Presseaussendung wurde auch in mehreren Oberösterreichischen Printmedien veröffentlicht. Abrufbar ist diese hier: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200115_OTS0005/birdlife-oesterreich-und-naturschutzbund-oberoesterreich-fordern-keine-genehmigung-fuer-abschuss-geschuetzter-wasservoegel

Da ich an der Entwicklung dieses Projekts maßgeblich beteiligt bin, möchte ich einige Aussagen der beiden Naturschutzorganisationen zu diesem Antrag relativieren und richtig stellen. Kurz und prägnant: Die Ziele der Arterhaltung und des Schutzes des Gänsesägers werden dadurch nicht in Frage gestellt.

Zunächst wird klargestellt, dass der antragstellende Verein mit diesem Projekt in keiner Weise eine Verfolgung des Gänsesägers als Fressfeind nach altem Vorbild, sondern ein modernes Wildtiermanagement zum Ziel hat, das die Interessen aller Arten ausreichend berücksichtigt. Es werden durch diesen Antrag keineswegs die Anliegen des europaweit geltenden Vogel- und Tierschutzes negiert, sondern explizit berücksichtigt. So trifft es nicht zu, dass der Abschuss der Vögel in der Brutzeit beantragt wurde, sondern davor, in der Revier- und Paarfindungsphase, beziehungsweise danach, ab August.

Die Arten Äsche, Koppe und Huchen sind auch in der FFH Richtlinie genannt und sollten in der betroffenen Steyr-Strecke vorkommen. Die Äsche ist sogar die namensgebende Leitfischart der Äschenregion, der dieses Revier zuzuordnen ist. Es ist daher nicht zulässig, diese Tierarten gegeneinander auszuspielen. Aus diesem Grund sieht der Antrag ein begleitendes Monitoring der Bestände sowohl des Gänsesägers als auch der Fische durch Ornithologen bzw. Gewässerökologen nach wissenschaftlichen Grundsätzen vor. Die beantragten Abschusszahlen werden ausdrücklich einer stetigen fachlichen Überprüfung sowie entsprechender Anpassung unterstellt und wurden als Maximalwerte formuliert. Der Antrag widerspricht daher in keiner Weise der Vogelschutzrichtlinie und der in Oberösterreich geltenden Rechtslage, da diese eine Bejagung von Vogelarten erlaubt, wenn dies der Abwendung erheblicher Schäden an […] Fischereigebieten und Gewässern dient.

In diesem Zusammenhang ist klar darauf hinzuweisen, dass es nicht mehr um eine Abwendung von Schäden, sondern deren Behebung geht. Die zahlreichen Fischbestandserhebungen beziehungsweise Jungfischkartierungen, die durch fachlich dazu befugte Büros durchgeführt wurden, haben insbesondere bei der Äsche erschreckende Ergebnisse erbracht. Das technische Büro für angewandte Gewässerökologie, Fischereiwirtschaft, Kulturtechnik und Wasserwirtschaft (ezb) hält in seinem Gutachten aus dem Jahr 2017 wörtlich fest: „Im Fall der ehemals dominanten Leitfischart Äsche ist der Bestand (5 kg/ha) derart gering, dass die Art als „ecologically extinct“ (Anm.: aus ökologischer Sicht ausgestorben) bezeichnet werden muss“.

Die betroffene Strecke an der Steyr ist für ein derartiges wissenschaftliches Projekt prädestiniert, da sich der Verein seit über 10 Jahren mit alternativen Bewirtschaftungsmethoden (Besatz lediglich mit Eiern) bemüht, um an dieser morphologisch intakten, also sehr naturnahen Strecke wieder einen angemessenen Fischbestand aufzubauen. Es wurden im Auftrag des Vereins von renommierten Instituten wissenschaftliche Studien zu alternativen Ursachen des massiven Bestandsdefizits der heimischen Fischarten erstellt, die ergeben haben, dass andere Ursachen als Prädation weitgehend ausgeschlossen werden können. Es handelt sich beim Revier des antragstellenden Vereins und der Steyr in nahezu ihrem gesamten Verlauf um eines der letzten sehr intakten Flussökosysteme, an dem es keinen dramatischen Einflussfaktor für einen Rückgang der Bestände gibt. Temperatur, Struktur und Nahrungsaufkommen ergeben einen guten Gesamtzustand, der einen weit höheren Fischbestand als den mehrfach und über Jahre hinweg festgestellten erhalten könnte.

Auch der bewirtschaftende Verein selbst schränkt sich aus diesen Gründen massiv ein und hat die Entnahme der heimischen Arten Bachforelle und Äsche an diesem Revier untersagt. Konkurrenzphänomene betreffend Nahrung und Lebensraum durch die Regenbogenforelle können bei einem derart niedrigen Bestand jedenfalls ausgeschlossen werden. Auch die vermutete Ursache, dass besetzte Regenbogenforellen junge Äschen und Bachforellen fressen und so den Bestand dieser Fischarten reduzieren, hat sich bei durchgeführten Magenanalysen nicht bewahrheitet.

Allgemeine Schlussfolgerungen

Nahezu alle Fischereivereine und -organisationen sowie auch der antragstellende Verein bekennen sich zur Erhaltung und Verbesserung unserer Ökosysteme sowie einem umfassenden Artenschutz, der nicht nur Fische, sondern auch alle anderen Tierarten einschließt, sofern sie aufgrund ihrer Seltenheit auch tatsächlich (noch) eines Schutzes bedürfen. Es muss dabei aber auch das Gleichgewicht zwischen den Arten im Auge behalten werden und gegebenenfalls ein Eingriff möglich sein, wenn in unserer überprägten Kulturlandschaft, das Artengefüge zu Lasten einzelner Arten in Schieflage gerät.