Geschichte erleben

Trotz meiner Skepsis, wie dieses Wasser sich entwickelt haben würde, seit ich das letzte mal dort war, bin ich wieder einmal, seit tatsächlich über 10 Jahren, an die Gmundner Traun gefahren (ernst gefischt vor 20). Auch wenn’s ziemlich geschwollen klingt, atmet dieses Gewässer einfach Geschichte. Es weht der Hauch der alten Zeit durchs Tal der Traun, könnte man noch schwülstiger sagen…

Aber nicht nur das ging mir durch den Kopf, als ich nach vielen Jahren wieder einmal an diesem Fluss gestanden bin. Genauso unmittelbar wird einem an diesem Fluss klar, warum gerade hier ein sehr rasanter und auf Weite abzielender Wurfstil entwickelt wurde. Die Mächtigkeit dieses Gewässers ist beeindruckend. Gerade wenn man einen Tag erwischt, an dem das Wasser zwar glasklar, aber um einen guten dreiviertel Meter gestiegen ist. Am Sauschneider Stein konnte man kaum ins Flussbett steigen, gerade weit genug konnte man waten, um das Ufergebüsch so weit hinter sich zu lassen, um einen Rollwurf zu schaffen. Der Fluss fließt hier breit und satt dahin und ist wirklich von beeindruckenden Dimensionen – zumindest für ein Fliegenwasser. Kein Wunder, dass gerade hier begnadete Werfer einen Switch Cast oder dynamischen Rollwurf entwickelt haben, um die Fliegen auf Distanz zu bringen.

Oder an der Hager Wiese, wo die Traun zwar eine Schotterbank aufgeschüttet hat, auf der man einige Meter in den Fluss waten kann, wird dem Fliegenfischer immer noch werferisch alles abverlangt, um in die grüne tiefe Rinne am gegenüberliegenden Ufer zu kommen, weil man einfach bis zur Hüfte im Wasser steht. Die Fische stehen aber selbstverständlich ganz am anderen Ufer, im Ruhebereich unter den überhängenden Bäumen, wo sie – wie zum Hohn – auch gestiegen sind.

Man muss wieder besser auf sein Timing achten und flucht beim Handling einer Menge an Leine in der linken Hand, die man sonst nicht benötigen würde. Man denkt an den strengen Lehrmeister Hans Gebetsroither, der seine Eleven gemaßregelt hat, wenn beim Doppelzug die Spannung auf die Leine nicht dauernd aufrecht erhalten worden ist. Man freut sich aber, wieder einmal an einem Wasser zu sein, wo so ein Aufwand überhaupt Sinn machen könnte…

Ich fische eigentlich öfter an Flüssen ähnlicher Dimensionen, aber keiner hat mich bisher so in seinen Bann gezogen, wie diese Gmundner Traun, die auch in der eigenen „fischereilichen Geschichte“ eine kurze, aber zentrale Rolle gespielt hat. Meine ersten Tage an diesem Wasser habe ich meinem Onkel und Taufpaten zu verdanken und wurde als Schüler mit vielleicht 16 Jahren von einem lieben Freund mitgenommen, dieses Wasser zu erleben. Es war ein einschneidendes Erlebnis, das mir klar gemacht hat, dass ich werfen lernen muss… ich hatte das Vergnügen einem Hans Aigner zuzusehen, wie er an eben jenem Abschnitt ans andere Ufer „rolliert“ hat, während ich mich bemühen musste, die Strömungskante auf der eigenen Flussseite zu erreichen. Das war mein entscheidendes Erlebnis, mich auf die Wiese zu stellen und zu üben beziehungsweise einen Kurs bei Erhard Loidl zu machen. Aber auch heute hat mir dieser Fluss meine Grenzen wieder klar aufgezeigt. Eine herbstlich steife Briese und leicht erhöhtes Wasser bringen dich da ordentlich ins Schwitzen…

Und dann bin ich noch zum Kohlwehr gegangen, das leider nicht mehr das Kohlwehr ist. Man kann noch erahnen, wie es früher ausgesehen hat. Die Konglomeratfelsen sind noch zu sehen, die diese Stelle so besonders gemacht und sicher für viele gute Fische Unterstand geboten haben. Leider hat das alte Holzwehr weichen müssen und ist – vermutlich – einer Unterwassereintiefung zum Opfer gefallen.

Auch die Stelle am Wehr in Steyrermühl ist beeindruckend und fordert einem werferisch viel ab. Der Fluss teilt sich um eine Insel und weitet sich in der Kurve nach der Brücke wieder auf seine ganze imposante Breite auf. Ein Wehr ist außerdem niemals leer. Das konnte ich dann auch wieder beweisen und habe dort eine schöne 60iger Regebogen überlisten dürfen, die einen tollen Kampf geliefert hat. Leider konnte ich nur ein Handyfoto schießen, weil ich mitten im Wehrauslauf stand.

Trotz aller Skepsis gegenüber der heutigen Situation dieses Flusses habe ich diesen Tag in vollen Zügen genossen. Trotz des Eindrucks, dass stellenweise der Bestand sehr überschaubar ist und großteils auf Besatzmaßnahmen beruht, bietet der Bach sicher die Chance auf einen kapitalen Fang. Trotz aller Vorbehalte verzaubert die einzigartige Farbe des Wassers dieser Gmundner Traun den Fliegenfischer und Lieberhaber von klaren Flüssen und Bächen ganz besonders. Ich finde jeder Fliegenfischer, der mehr in unserer Leidenschaft sieht, als Fische fangen zu wollen, sollte sich gelegentlich eine Karte für dieses Revier gönnen und in der Geschichte des Fliegenfischens in Mitteleuropa oder der eigenen Entwicklung schwelgen.