Fangerwartungen

Wie realistisch sind die Fangerwartungen, die durch Gewässerberichte über Hotel- oder Angelgeräteshopstrecken bei Gastkartenfischern geweckt werden?

Autor: Leopold Mayer | Überarbeitung: Hans Pehestorfer

In sehr vielen Berichten in Anglermedien oder Informationen von Gewässerbewirtschaftern wird vom „guten Bestand“ oder – zumindest semantisch – ehrlicher, vom guten Besatz und von den Kapitalen, die man im beworbenen Gewässer erbeuten könne, geschwärmt.

Ich möchte hier nicht darüber urteilen, warum es zu solchen Berichten kommt, weil ich die Motive, die wahrscheinlich dahinter stehen, nachvollziehen kann. Es müssen einfach Leute auch davon leben können, wenn sie einen Tourismus Betrieb betreiben, der zu seiner Attraktivierung ein Gewässer angepachtet, oder die in der Hoffnung, ihr Hobby zum Beruf machen zu können, Angelgerätehändler wurden. Auch ein Verein, der ein Gewässer zu einem marktüblichen Preis anpachten konnte, steht dann oft unter Druck, seinen Lizenznehmern zu bieten, was diese sich erwarten, um ausreichend Einnahmen aus Lizenzverkäufen zu erzielen.

Ich frage mich allerings immer öfter, was sich die Fliegenfischer denken, die solche Reviere befischen? Sind sie alle völlig ahnungslos oder eben nicht die umfassend im Bereich fischen gebildeten Leute, die wir aus den diversen Internet Foren zu kennen glauben? Oder sind sie es doch und es ist ihnen eben einfach egal? Diese Frage stellt sich massiv und ich finde alle Antwortmöglichkeiten bestürzend.

Nehmen wir einmal ein theoretisches Modellgewässer in Österreich: Man darf hier von einer nachhaltigen natürlichen Jahresertragsfähigkeit von ca. 100 kg je Hektar Gewässerfläche (= 10.000 m² bzw. bei einem 10 m breiten Fluß einer Revierstrecke von 1 km) „fangreifen“ Forellen und/oder Äschen ausgehen (wenn alles passt, also keine Vorschäden bestehen). Mehr gibt das Gewässer, wenn nicht immer wieder fangfähige und „kapitale“ Fische in der Saison nachgekippt werden, nicht her, ohne dass der Bestand – auch ohne Kormorane oder andere Prädatoren – durch Übernutzung bald zusammenbrechen würde. Wie gesagt: Wir haben in diesem Zusammenhang noch keine – mittlerweile allgegenwärtigen – Prädatoren berücksichtigt und gehen von einem gesunden intaktem Bestand aus.

Wendet man das bewährte Schema von Dr. Jens (P. Parey Verlag: Die Bewertung der Fischgewässer) an, setzen sich diese 100 kg nachhaltig entnehmbaren Fische etwa wie folgt zusammen: 3 „Kapitale“ (~ ca. 10 kg), ca. 30–50 „Größere“ und Fangfähige (~ < 50 kg ) + ca. 40 kg „untermaßige“ Fische (~ 400 Zweisömmrige, rd. 1000 Einsömmrigen und > 10´000 Stk. Brut)

Leicht nachvollziehbar ist, dass wenn die Kapitalen schon zu Saisonbeginn weggefangen werden können, es Jahre braucht, bis aus den „Großen“ – wenn sie nicht auch Opfer des Befischungsdrucks werden – wieder „Kapitale“ heranwachsen konnten. Genauso ist es natürlich mit den erwarteten „Großen“. Wenn der Befischungsdruck auf die „maßigen Fangfähigen“ (zu) hoch ist, können natürlich nur wenige „Große“ heranwachsen, von denen nur ganz wenige zu „Kapitalen“ reifen können!

Dazu sollte man bedenken und einsehen, dass, selbst wenn man sich völlig auf C&R beschränken würde, die Überlebensrate der Fische auch durch den „natürlichen Schwund“ bis zur (angel)fischereilichen Kategorie „Kapital“ extrem gering ist.

Realistisch ist eine hohe Erwartungshaltung also nur an geschonten Privatgewässern, exklusiven Vereinsgewässern oder sehr restriktiv vermarkteten – und daher sehr teuren – Gastkartengewässern. Überall, wo aber „für jedermann“ so hohe Fangerwartungen geweckt werden, sind sie entweder unerfüllbar, oder es wird eben (meist uneingestanden) regelmäßig „Attraktivitätsbesatz“ nachgekippt.

Wer die diversen fischereibiologischen Studien zur Rückfang- und Überlebensquote fangfähig besetzter Zuchtfische kennt, wird sich daher nicht wundern, wenn an solchen Angeltouristengewässern die Tageskartenpreise genau so hoch oder noch höher sind, als an nachhaltig bewirtschafteten Naturstrecken. Der kleine Unterschied: Die einen Strecken sind nicht für jedermann zugänglich, die anderen nicht jedermanns Sache, beide aber für jedermann eigentlich zu teuer!

Es bleibt in natürlichen Gewässern, wie es immer war: Große Fische fängt derjenige, der ihre Standorte und Verhaltensweisen kennt, „fischen“ kann und Anglerglück hat. Kapitale sind auch für erfahrene Könner Sternstunden vorbehalten, wobei natürlich glückliche Ausnahmen die Regel bestätigen.

An den Gewässern mit den „garantierten“ Kapitalen und „zahlreichen“ Großen fängt (vielleicht) auch der ortsunkundige Gelegenheitsangler solche. Das sind dann aber „erkaufte Pfannen- oder Trophäenfische“.

Man könnte sich nun fragen: Na und? Was soll’s? Leider ist das meines Erachtens ein ganz gravierendes Problem für die Interessen der Fischerei und das schlechte Image, unter dem diese leidet, da die Befriedigung dieser Ansprüche uns zu einem guten Teil der Argumente beraubt, die wir gerne in der öffentlichen Diskussion zu unseren Gunsten ins Treffen führen. Es ist niemandem zu erklären, dass wir den Schutz der Natur, des Lebensraums Wasser im Sinn haben, solange wir keine nachhaltige Bewirtschaftung unserer Gewässer glaubhaft machen können. Reinwerfen und Rausfangen ist – auch im Auge der Gesellschaft – kein schützenswertes Anliegen.

Zusätzlich überdeckt diese Vorgehensweise die dramatische Situation vieler unserer Gewässer. Wenn sich die Berichte in Superlativen überschlagen und die Bewirtschafter ihre Gewässer in den höchsten Tönen anpreisen, dann ist es den Entscheidungsträgern schwer zu vermitteln, dass vieles in unseren unseren Fischbeständen im Argen liegt. Am schlimmsten ist es in diesem Zusammenhang, wenn man hört, dass Bewirtschafter, die Meinungsbildner oder Entscheidungsträger an ihr Wasser einladen, einen Tag zuvor den Laster aus der Fischzucht kommen lassen, damit die hohen Herren auch etwas fangen…

Trotzdem Petri Heil,

Hans