Fangerwartungen…

Auswirkungen der Berichterstattung in diversen Medien auf die Fischerei an sich – eine Meinung von Leopold Mayer und H.P.

Zunächst muss man das Thema in zwei Bereiche aufsplitten. Einerseits ist meines Erachtens die Situation um und an den Gewässern unserer Heimat zu beurteilen. Eine eigene Betrachtung verdienen die Ziele, die rund um die Welt beworben und besucht werden.

Österreich und Deutschland

In sehr vielen Berichten zu diversen Revieren in Österreich und Süddeutschland wird vom „guten Bestand“ oder „guten Besatz“ geschwärmt, von den Kapitalen die man im beworbenen Gewässer erbeuten könne. Richtig verfasst und platziert löst das dann – zur Freude des Bewirtschafters des jeweiligen Reviers – einen kurzfristigen Run auf diese Gewässer aus. Die Enttäuschung der Gäste folgt meist auf dem Fuß oder es wird eben getrickst. Das müsste nicht sein, wenn einerseits die Berichte objektiv wären und andererseits die geweckten Erwartungen sich an realistischen Vorstellungen orientieren würden.

Nehmen wir einmal ein theoretisches Modellgewässer, ein Salmonidenrevier in unseren Breiten: Man darf hier von einer nachhaltigen natürlichen Ertragsfähigkeit von ca. 100 kg je Hektar Gewässerfläche (= 10.000 m² bzw. bei einem 10 m breiten Fluß einer Revierstrecke von 1 km) an Forellen oder Äschen pro Jahr ausgehen. Mehr gibt ein durchschnittliches Gewässer, wenn nicht immer wieder fangfähige und „kapitale“ Fische während der Saison nachgekippt werden, nicht her, ohne dass der Bestand – auch ohne Kormoran, Otter oder andere Prädatoren – durch Übernutzung bald zusammenbrechen würde.

Da sich der Zuwachs natürlich auf die gesamte Population verteilt, ist nicht alles davon abschöpfbar. Wendet man das bewährte Schema von Dr. Jens (P. Parey Verlag: Die Bewertung der Fischgewässer) an, setzen sich die 100 kg Zuwachs an Fisch etwa wie folgt zusammen:
3-4 „Kapitale“ (ca. 10 kg)
30–50 „Größere“ und Fangfähige (ca. 50 kg)
40 kg „untermaßige“ Fische (~ 400 Zweisömmrige,  rd. 1000 Einsömmrigen und > 10.000 Stk. Brut)

Das heißt, dass der insgesamt legal (Mindestfangmaß) entnehmbare, abschöpfbare Ertrag um die 60kg je Hektar Wasserfläche liegen würde. Ich fürchte, dass diese Schätzung in den heutigen Tagen immer noch viel zu optimistisch ist.

Dabei muss man auch noch berücksichtigen, dass es Jahre dauert bis aus den Großen Kapitale werden, wenn die Kapitalen gezielt weggefangen werden. Daneben gibt es natürlich auch noch Befischungsdruck auf die „Großen“. Genauso ist es natürlich mit den erwarteten „Großen“: Wenn der Befischungsdruck auf die „maßigen Fangfähigen“ zu hoch ist, können natürlich nur wenige „Große“ heranwachsen, von denen nur ganz wenige zu „Kapitalen“ reifen können! Völlig sicher, ob für dieses Problem „Catch and Release“ eine Lösung ist, bin ich mir nicht – auch durch den „natürlichen Schwund“ wären wohl Auswirkungen auf die Bestände anzunehmen.

Realistisch ist eine hohe Erwartungshaltung also nur an geschonten Privatgewässern oder sehr restriktiv vermarkteten – und daher meist sehr teuren – Gastkartengewässern. Überall, wo aber trotzdem „für jedermann“ so hohe Fangerwartungen geweckt werden, sind sie entweder unerfüllbar, oder es wird eben (meist uneingestanden) regelmäßig „Attraktivitätsbesatz“ nachgekippt. Wer die diversen fischereibiologischen Studien zur Rückfangquote fangfähig besetzter Zuchtfische kennt, wird sich daher nicht wundern, wenn dann in solchen Angeltouristengewässern oder „Fliegenfischer-Disneylands“ die Tageskartenpreise genau so hoch oder noch höher sind, als in nachhaltig bewirtschafteten Naturstrecken. Der kleine Unterschied: Die einen Strecken sind nicht für jedermann zugänglich, die anderen nicht jedermanns Sache, beide aber für jedermann eigentlich zu teuer!

Es bleibt in natürlichen Gewässern, wie es immer war: Große Fische fängt derjenige, der ihre Standorte und Verhaltensweisen kennt, „fischen“ kann und auch das nötige Quentchen Anglerglück hat: Kapitale sind auch für erfahrene Könner deren Sternstunden vorbehalten. An den Gewässern mit den „garantierten“ Kapitalen und „zahlreichen“ Großen fängt (vielleicht) auch der ortsunkundige Gelegenheitsangler solche. Das sind dann aber „erkaufte Trophäenfische“.

Dem immer wieder postulierten hohen Anspruch der heh’ren Fliegenfischertradition wird man damit aber wohl nicht gerecht, der Realität schon eher – aber das ist dann eben Triebbefriedigung durch eine trendy Exklusivsportart, mit lebenden Tieren als Sportobjekt!

Die fernen Ziele

Auch in diesem Bereich kann man meiner Meinung nach wieder grob zwei Arten von Zielen unterscheiden. Die einen, völlig abgelegenen und schwer zu erreichenden Ziele, die dem meist horrende Summen zahlenden Gast in intakter, unberührter Natur wirklich eine außergewöhnliche Fischerei bieten, weil der Befischungsdruck derartig gering und das natürliche Aufkommen derart hoch sind, dass man einfach realistische Chancen auf kapitale Fänge hat. Hier verhält sich die Lage natürlich deutlich anders. Auch hier bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob alle Trends völlig zu unterstützen sind, die sich in unserer neuen Medienwelt ergeben haben. Ich kann aber letztlich nur festhalten, dass mein Eindruck zu solchen Destinationen, die ich eben auch nur aus Berichten kenne, letztlich ein positiver ist. Es werden hier, soweit meine Informationen reichen, meistens nachhaltige Zahlen an Touristen zugelassen und die Befischung ist streng reglementiert. In manchen Fällen ist es auch postitiv zu bewerten, dass Angeltourismus Geld in strukturschwache Regionen bringt und einen nachhaltigen Tourismus in Gang setzt. Gegen einen Bericht von diesen Traumzielen, der die entsprechenden Fänge widergibt, kann man dann natürlich gar nichts einwenden. Man sollte sich nur stets des Unterschieds und der Gründe bewusst sein, warum diese Destinationen Träume erfüllen können.

Die anderen Ziele, die es für Touristen (auch bei uns) gibt, werden vielleicht aufgrund eines legendären Rufs aus längst vergangenen Zeiten, wegen traumhafter Landschaft oder anderen Highlights aufgesucht. Oft werden daher leider auch an solchen Zielen durch Besatzmaßnahmen künstlich Zustände aufrecht erhalten, die das Gewässer gar nicht mehr bieten könnte. Manchmal bemerkt man dann aber auch einfach, dass die natürlichen Ressourcen endlich sind und vor allem den Ortsunkundigen vor Probleme stellen.

Aus meiner eigenen Reiseerfahrung kann ich nur berichten, dass diese Destinationen der zweiten Kategorie, die ich bereist habe, für mich wunderbare Eindrücke gebracht haben. Ich muss aber auch sagen, dass ich regelmäßig zu Hause, an jenen Revieren, die ich besonders gut kenne, die größeren Fische gefangen habe, weil Erfahrung und Kenntnis des Gewässers sicher mehr wert sind, als alles andere. Plakativstes Beispiel für mich, war mein Aufenthalt in den U.S.A. im Gebiet des Yellowstone National Parks. Ich habe diese Reise genossen und werde heuer hoffentlich wieder in dieses Gebiet fahren. Ich kann aber klar festhalten, dass ich keine Drillorgien erlebt habe, sondern von einer langen Saison besonders schwierige Fische, die sich nur unter Aufwendung aller Tricks zu einem Biss verleiten ließen. An den leicht zugänglichen Strecken konnte man den gefangenen Fischen auch deutlich ansehen, dass man nicht der erste war, der sie angeleint hatte. Kiemendeckel waren jedenfalls nicht mehr Standard. Je weiter man die leicht erreichbaren Strecken hinter sich gelassen hat, sei es zu Fuß oder mit Guides im Driftboot, desto besser wurden die Fänge. Aber auch dort waren die Fotos der kapitalen Fänge, die ich bei meinen Recherchen im Vorfeld zu Gesicht bekommen habe, eher marktschreierische Werbung, als Tatsachenberichte.

Auch in diesem Zusammenhang kann ich daher nicht nachvollziehen, dass in vielen Berichten Unmengen an Bildern von außergewöhnlichen Trophäen enthalten sind, die bei einer Reise vom Autor oder dessen Freunden gefangen wurden. Gelegentlich fallen einem sogar Diskrepanzen zwischen dem ehrlicheren Text und den den Bericht illustrierenden Bildern auf.

So What?

Man kann sich nun am Ende völlig zu Recht fragen, warum „pudelt“ sich der Typ darüber überhaupt so auf? Kann ihm doch egal sein! Er hat ja selber einen Blog und berichtet jeden Sch…!

Warum mich diese Fakten doch sehr stören, möchte ich hier so kurz wie möglich erklären:

  • Die Aufrechterhaltung der übertriebenen Erwartungen hält viele, vor allem junge Menschen, die mit dem Fischen beginnen würden, davon ab. Wenn ein Anfänger in den diversen „sozialen“ Medien, auf YouTube und auch in Printmedien lauter Fischer sieht, die mit kapitalen Fängen abgelichtet sind und dann in die Niederungen der Realität herab steigen muss, wird die Motivation nicht gerade explodieren.
  • Der Besatz mit fangfähigen oder gar kapitalen Fischen zur fischereilichen Attraktivierung eines Fischwassers ist eine „Bewirtschaftungsmethode“, die strikt abzulehnen ist und auch von Ökologen zu recht scharf kritisiert wird.
  • Dieses Vorgehen (Put and Take) bietet daher auch Naturschützern einen nachvollziehbaren und nicht leugbaren Angriffspunkt unseres Tuns und wird in der gesamten Gesellschaft zu recht kritisch gesehen.
  • Generell wird der eigentlich weitgehend besorgniserregende Zustand unserer Fischbestände dadurch verschleiert.
  • Prädatoren werden weiter durchgefüttert und haben es deutlich einfacher, Zuchtfische zu erbeuten.
  • Werden werbewirksam Zustände über ein Gewässer verbreitet, obwohl die Realität der Ertragsfähigkeit eine völlig andere ist, werden weiterhin astronomische Pachtpreise gerechtfertigt, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben.
  • Am schlimmsten ist es in diesem Zusammenhang, wenn man hört, dass Bewirtschafter, die Meinungsbildner oder Entscheidungsträger an ihr Wasser einladen, einen Tag zuvor den Laster aus der Fischzucht kommen lassen, damit die hohen Herren auch etwas fangen…

Ich hoffe daher, dass im Sinne einer künftigen, ökologischen und nachhaltigen Bewirtschaftung – vor allem unserer heimischen Gewässer – auch bei diesen Erwartungshaltungen wieder Normalität einkehrt. Denn eines kann man klar empfehlen, weil es uns allen mehr Freude am Fischen bereiten wird: Vertraut nicht den Werbeversprechungen, sondern orientiert Eure Erwartungen an der Realität. Umso größer wird Eure Freude über jeden großen oder gar kapitalen gefangenen Fisch sein!